Der sogenannte "Lagetyp" beschreibt den Hauptvektor der Erregungsausbreitung in den Ventrikeln. Beeinflusst wird der Lagetyp durch anatomische Gegebenheiten, Hypertrophie, (stattgehabt) Ischämien und Erregungsausbreitungsstörungen. Die Bedeutung in der Notfalldiagnostik erreicht die Lagetypbestimmung eben durch den Zusammenhang mit den Störungen mit der Erregungsleitung - es geht um die Diagnose von Hemiblockierungen.

 

Lagetypbestimmung

Die Lagetypbestimmung ist Anwendung des Vektorverständnisses in seiner besten Form. Das Auswendiglernen von Tabellen ist hier also wirklich nicht notwendig 😉.

 

Es gilt der elektrophysiologische Grundsatz:

  • Wenn ein Vektor auf die positive Elektrode einer Ableitung zuläuft, ergibt sich im EKG ein positiver Ausschlag.
  • Wenn ein Vektor von der positiven Elektrode einer Ableitung wegläuft, ergibt sich im EKG ein negativer Ausschlag.

Die Anordnung der Ableitungen mit ihren positiven Elektroden wird durch den Cabrera-Kreis dargestellt. So lässt sich der Lagetyp einfach in 2 Schritten bestimmen:

  1. In den Extremitätenableitungen wird diejenige mit dem höchsten positiven Ausschlag bestimmt. Der Lagetyp liegt dann links oder rechts von dieser Ableitung.
  2. Im zweiten Schritt wird die Ableitung betrachtet, welche senkrecht zur Ableitung mit dem höchsten Ausschlag steht. Ist der Kammerkomplex hier überwiegend positiv, ist der Lagetyp dieser Ableitung eher zugewandt - ist er überwiegend negativ, so ist er eher abgewandt.

Überdrehter Linkstyp (ÜDLT)

Beim überdrehten Linkstyp zeigt der Hauptvektor der Kammererregung nach "links oben", entsprechend dem Bereich ab -30°. Generell können linksventrikuläre Hypertrophie, inferiore Infarkte oder ein Zwerchfellhochstand bei Adipositas eine Linksverlagerung des Lagetypes bewirken - eine Abweichung in den "überdrehten" Bereich hat jedoch meist eine andere Ursache.

 

Liegt eine Leitungsblockade des linksanterioren Faszikel vor, so wird zunächst über den linksposterioren Faszikel die inferiore Wand erregt. Die Aktivierungsfront muss sich nun also von inferior (unten) nach anterolateral (oben) über das Myokard ausbreiten. Hieraus resultiert ein Vektor von unten nach oben und links - entsprechend einem überdrehten Linkstyp. Somit wird der linksanteriore Hemiblock über den überdrehten Linkstyp definiert. Die QRS-Dauer kann dabei leicht bis auf 119 ms verbreitert sein - für die Diagnose ist dies jedoch nicht erforderlich.

 

Da der Hauptvektor von "unten nach oben" stößt, verläuft er zu allen Brustwandableitungen quasi senkrecht. Entsprechen sieht man hier keine echte R-Progression, sondern gleiche und leicht variierende Amplituden von R und S.


Überdrehter Rechtstyp (ÜDRT)

Beim überdrehten Rechtstyp zeigt der Hauptvektor der Kammererregung nach "rechts oben", entsprechend dem Bereich ab +120°. Eine solch extreme Abweichung des Lagetyp ist neben anatomischen Variationen oder technischen Fehlern (Verpolung von rechter und linker Arm-Elektrode!) vor allem durch einen linksposterioren Faszikelblock erklärbar.

 

Liegt eine Leitungsblockade des linkposterioren Faszikel vor, so wird zunächst über den linksanterioren Faszikel die anterolaterale Wand erregt. Die Aktivierungsfront muss sich nun also von anterolateral (oben und links) über das Myokard nach inferior (unten und rechts) ausbreiten. Hieraus resultiert ein Vektor von links nach rechts - entsprechend einem überdrehten Rechtstyp. Somit wird der linksposteriore Hemiblock über den überdrehten Rechtstyp definiert. Auch hier kann die QRS-Dauer leicht verlängert sein, was für die Diagnose jedoch nicht notwendig ist.

 

In der Horizontaleben verläuft der Erregungsvektor von vorne (anterior) nach hinten (posterior) - entsprechend verschiebt sich die R/S-Umschlagzone mit S-Persistenz bis V6.

 

Insgesamt ist der linksposteriore Faszikelblock deutlich seltener als der linksanteriore Block. Die liegt zum einen daran, dass der Faszikel im Vergleich deutlich kürzer und dicker ist, zum anderen liegt im inferoposterioren Bereich meist eine duale Gefäßversorgung vor, was vor allem die Rate von koronarischämischen Blockierungen reduziert.

 


Lagetyp und Rechtsschenkelblock

Eine in der deutschsprachigen Literatur oft ignorierte Feinheit ist die Lagetypbestimmung beim Rechtsschenkelblock. Zur Erinnerung: Hier wird der linke Ventrikel regulär über das linksventrikuläre Leitungssystem erregt, die Aktivierung des rechten Ventrikels erfolgt dann über das Kammerseptum von links nach rechts. Möchte man nun den Vektor der Erregungsausbreitung im linken Ventrikel (und das ist ja der "Lagetyp") bestimmen, so müssen hierfür die ersten 60 bis 80 Millisekunden des Kammerkomplexes beobachtet werden. In dieser Zeit lässt sich die reguläre Erregungsausbreitung analysieren - alles was danach kommt ist der Rechtsschenkelblock und entspricht nicht dem wahren Lagetyp.