Wir beginnen mit der einfachen Analyse von Rhythmusstreifen und geben euch hiermit einen roten Faden an die Hand. Jeder der fünf Schritte ist als Frage formuliert, die ihr durch eure Analyse beantwortet.


QRS-FREQUENZ?

Die Frage nach der Herzfrequenz ist ein zentraler Schritt der Rhythmusanalyse, da hierdurch bereits eine therapierelevante Kategorisierung erfolgt. Herzfrequenzen unter 60 Schlägen pro Minute werden (bei klinischer Therapieindikation) nach dem Bradykardie-Algorithmus behandelt, während Frequenzen über 100 ggf. als Tachykardien therapiert werden. Die Kriterien für eine Behandlungsindikation sowie die Inhalte der Algorithmen würden hier den Rahmen sprengen, in jedem Fall müsst ihr als EKG-Anwender in der Lage sein eine Herzfrequenz zu bestimmen. Und das muss im Notfall auch ohne Monitoranzeige, Ausdruck auf dem Streifen oder EKG-Lineal möglich sein!

Dabei (wie bei vielen Schritten der EKG-Analyse) könnt ihr das Millimeterpapier als Skala benutzen. Es gibt verschiedenste Vorgehensweisen, deren zwei wir euch hier vorstellen:


1.) 6-Sekunden: Bei einer Schreibgeschwindigkeit von 25mm/Sekunde entsprechen 5 Boxen (=2,5cm) genau 1 Sekunde. So lässt sich leicht die Dauer von 6 Sekunden (30 Boxen = 15cm) ablesen. Der Rest ist einfachstes Rechnen: Wenn man die Anzahl der Kammerkomplexe in 6 Sekunden auszählt und diese mit 10 (6 Sek. x 10 = 1 Min.) multipliziert, erhaltet ihr die ungefähre Anzahl der Kammerkomplexe pro Minute – also die Herzfrequenz. Vorteil: Diese System funktioniert bei regelmäßigen wie unregelmäßigen Rhythmen. Nachteil: Das Auszählen der 30 Boxen ist ein wenig mühsam.


2.) Zahlenreihe: Bei regelmäßigen Rhythmen lässt sich das Zählen umgehen und damit Zeit sparen. Sucht euch eine beliebige R-Zacke und setzt von dort aus alle 5mm (bei 25mm/Sek.) eine Markierung. Besonders clever ist eine R-Zacke auf einer 5mm-Linie da eure Markierungen dann auf dem Papier durch die Boxen bereits vorhanden sind. Nun beschriftet ihr die Markierungen fortlaufend mit folgender Zahlenreihe: 300 – 150 – 100 – 75 – 60 – 50 – 43 – 38 – 33 – 30 – 27. Die Herzfrequenz lest ihr nun einfach an der nächsten R-Zacke ab. Im Beispiel liegt das nächste R zwischen den Markierungen 75 und 100 – was zur ausgezählten Frequenz von 90 passt. So habt ihr euer eigenes EKG-Lineal erstellt, denn nichts anderes als solche Zahlenreihen findet ihr auch auf den Plastikscheiben. Vorteil: Dieses System geht sehr schnell und mit ein wenig Übung und der Zahlenreihe im Kopf ist die Frequenzbestimmung eine Sache von wenigen Sekunden. Nachteile: Das Ganze funktioniert nur bei einigermaßen regelmäßigen Rhythmen und ihr müsst die Zahlenreihe einmal im Kopf haben.


Beachtet, dass die im Text genannten Werte für die Schreibgeschwindigkeit 25mm/Sek. gelten. Bei 50mm/Sek. verdoppeln sich alle Intervalle.


QRS SCHMAL ODER BREIT?

Als Kammerkomplex bezeichnet man alle im EKG sichtbaren Teile der Kammeraktivierung. Oft spricht man dabei auch vom „QRS-Komplex“, wobei nicht in jeder Ableitung ein Q, ein R und ein S sichtbar sein müssen. Der Kammerkomplex zeigt die elektrische Aktivierung (Depolarisation) des Kammermyokardes, welche von den inneren (subendokardialen) zu den äußeren (subepikardialen) Schichten verläuft. Bei normaler Erregungsleitung wurde der elektrische Impuls vorher über das His-Purkinje-System gleichmäßig über die Ventrikel verteilt, womit die Depolarisation der Kammern in allen Abschnitten weitesgehend synchron abläuft. Deshalb ist der physiologische Kammerkomplex schlank und schmal. Macht euch diese Zusammenhänge noch einmal klar: Die schnelle Leitung über die Tawara-Schenkel ist zwar für einen schmalen Komplex notwendig, im EKG jedoch nicht sichtbar – der sichtbare Kammerkomplex zeigt nur die Depolarisation des Myokard. Jeder schmale Kammerkomplex muss also einen elektrischen Ursprung oberhalb der His-Bündel-Aufzweigung haben, was (anatomisch nicht ganz korrekt) als supraventrikulär bezeichnet wird. Breite Kammerkomplexe können verschiedene Ursachen haben (ventrikulärer Ursprung, Reizleitungsproblem, Myokardproblem, ...). Für die Rhythmusanalyse ist es zunächst einmal nur wichtig, dass ihr „schmal“ von „breit“ unterscheiden könnt.

Streng genommen hat der physiologische Kammerkomplex eine maximale Dauer von 100 Millisekunden. Da es durch unspezifische Leitungsverzögerungen zu leichten Verbreiterungen kommen kann, lässt man hier eine Toleranz von 10 Millisekunden zu, so dass die maximale Breite des physiologischen QRS-Komplexes bei 110 Millisekunden liegt.

Um dies beurteilen zu können, ist das Millimeterpapier einmal mehr ein nützliches Werkzeug – wenn man sich denn damit auskennt...

Bei einer Schreibgeschwindigkeit von 25mm/Sekunde entspricht 1 Millimeter = 40 Millisekunden. Wenn man diesen Wert im Kopf hat, macht man sich das Leben im Umgang mit dem EKG sehr viel leichter. Bei doppelter Schreibgeschwindigkeit (50mm/Sek.) halbiert sich übrigens der Zeitwert (1 Millimeter = 20 Millisekunden) – aber das dürfte euch kaum mehr überraschen.

110 Millisekunden ist die maximale QRS-Dauer und 40 Millisekunden entspricht 1 Millimeter. In einem einfachen Dreisatz kommt man so zum unbefriedigenden Ergebnis von 2,75 Millimetern. Wir mögen es aber (vor allem unter Zeitdruck) nicht so kompliziert, und deswegen gilt für die Beurteilung des Kammerkomplexes bei der Rhythmusanalyse die folgende simple Regel:

Der physiologische Kammerkomplex ist KÜRZER als 120 Millisekunden und muss auf dem Papier (bei 25mm/Sek.) damit WENIGER als 3 Millimeter betragen.

Im abgebildeten Beispiel erkennt man unter der Lupe, dass der QRS-Komplex mit etwas weniger als 2,5 Millimetern eindeutig schmal ist. Diese Kammererregung hat ihren Ursprung also oberhalb der His-Bündel-Aufzweigung.

Alles klar? Dann könnt ihr einen Haken hinter diesen dritten von sechs Schritten einer strukturierten Rhythmusanalyse machen.


QRS REGELMÄSSIG?

Zu diesem Schritt der Rhythmusanalyse gibt es an sich nicht allzu viel zu sagen. Zum Einen ist die Frage selbsterklärend, zum Anderen wurde das Thema beim ersten EKQuiz zur respiratorischen Sinusarrhythmie bereits behandelt. Daher nur noch einmal zur Wiederholung: Vermessen wird der Abstand zwischen den Kammerkomplexen. Da man hierfür meistens zwei benachbarte R-Zacken betrachtet, spricht man auch vom RR-Intervall. Geringe Schwankungen der RR-Intervalle sind vollkommen normal und gelten bis zu einer Differenz von 120 Millisekunden (3mm bei 25mm/Sek.) zwischen dem längstem und dem kürzesten Intervall nicht als unregelmäßig. Bei Differenzen von mehr als 160 Millisekunden spricht man von einer Arrhythmie, welche verschiedenste Ursachen haben kann. Da die Interpretation aber erst nach der vollständigen Analyse folgen kann, genügt es an dieser Stelle, wenn ihr die Frage nach den der Regelmäßigkeit der Kammerkomplexe einfach mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten könnt. Und hierfür müsst ihr ein gutes Auge haben oder euch mit technischen Mitteln zu helfen wissen. Geeignet sind das klassische EKG-Lineal, der schon etwas speziellere EKG-Zirkel (welcher jedoch speziell für längere Sequenzen eine sehr exakte und schnelle Vermessung ermöglicht) oder die Lowbudget-Variante mit Papier und Stift. Eine kleine „Gebrauchsanweisung“ zu diesen Techniken gibt es heute ausnahmsweise im bewegten Bild. Wie ihr zum Ergebnis kommt, spielt keine Rolle. Wichtig ist nur die richtige Antwort auf die Frage: Regelmäßig oder unregelmäßig?

Die kurze Videosequenz hat es bereits gezeigt: Dieser Rhythmus ist regelmäßig. Oft denkt man, eine Regelmäßigkeit "auf den ersten Blick", also mit bloßem Auge erkennen zu können. Das kann gut gehen, jedoch kann man auf diese Weise auch sehr gut supraventrikuläre Extrasystolen oder eine dezente Arrhythmie verpassen. Wenn ihr also sicher sagen wollt, ob ein Rhythmus regelmäßig oder unregelmäßig ist, messt wenigstens einen Zeitraum von 6 Sekunden aus. Wahrscheinlich werdet ihr überrascht sein, wie viele vermeintlich völlig gleichmäßige Bilder als arrhythmisch enttarnt werden...


VORHOFAKTIVITÄT?

Nachdem in den ersten vier Schritten die Kammerkomplexe analysiert wurde, beschäftigen sich die verbleibenden Abschnitte der strukturierten Rhythmusanalyse mit der Vorhofaktivierung. Die Vorgehensweise ist dabei ähnlich wie bei der ventrikulären Analyse und beginnt demnach mit der einfachen Frage:

Ist in den Abschnitten zwischen T-Wellen und QRS-Komplexen überhaupt irgendeine elektrische Aktivität sichtbar?

Wenn dies zutrifft, begibt man sich auf die Suche nach geordneten P-Wellen. Die physiologische P-Welle ist eine, in den Ableitungen I und II positive und halbrunde, Welle mit einer maximalen Dauer von 100 Millisekunden. Besonders wichtig ist dabei zum Einen, dass P-Wellen, welche ihren Ursprung am selben Ort haben, ein identisches Aussehen, also eine einheitliche Morphologie, zeigen. Zum Anderen sind P-Wellen mit Ursprung in einem konstanten Schrittmacherzentrum weitesgehend rhythmisch, was einer maximalen Differenz von 160 Millisekunden zwischen kürzestem und längstem PP-Intervall entspricht. Für die Identifikation eines Sinusrhythmus sucht man also nach monomorphen und regelmäßigen P-Wellen (wobei ihr im ersten EKQuiz diesen Jahres mit der respiratorischen Sinusarrhythmie schon eine physiologisch abweichende Variante kennengelernt habt). Im abgebildeten Beispiel sind alle genannten Kriterien relativ einfach erkennbar, da es sich um das Musterbeispiel eines Sinusrhythmus handelt. Wenn das Bild jedoch durch unregelmäßige Rhythmen und Extrasystolen gestört wird, kann die Identifikation des P-Wellen-Grundrhythmus eine der schwierigsten Herausforderungen bei der Rhythmusanalyse werden. In diesem Fall ist das Abzirkeln und Markieren der P-Wellen eine wichtige Maßnahme um nicht den Überblick zu verlieren.


KOPPLUNG?

In den Schritten eins bis vier wurde die Kammeraktivität untersucht, im fünften Abschnitt der Analyse wurde die Vorhofaktion unter die Lupe genommen. Im sechsten und letzten Schritt geht es nun darum, diese Informationen miteinander zu vereinen. Es geht also um die Interkation zwischen Vorhof- und Kammerebene.

Wenn ihr die bisherigen Analyseschritte vollständig durchgeführt und die entsprechenden Markierungen in euren EKG-Streifen vorgenommen habt, ist der sechste Schritt nicht mehr als reines Ablesen. Im physiologischen Zustand wird jede P-Welle auf die Ventrikel übergeleitet, womit ein Verhältnis von P-Wellen zu QRS-Komplexen von eins zu eins besteht. Um auch hier systematisch vorzugehen, könnt ihr euch die folgenden beiden Fragen stellen:

 

1. Folgt auf jede P-Welle ein Kammerkomplex?

2. Geht jedem Kammerkomplex eine P-Welle voraus?

 

Wenn beide Fragen mit JA beantwortet wurden, könnt ihr mit Sicherheit sagen, dass eine so genannte „Eins-zu-eins-Überleitung“ ohne supraventrikuläre oder ventrikuläre Extrasystolen vorliegt.

Nun könnt ihr die Art der Überleitung quantifizieren indem ihr die AV-Überleitungszeit, also das PQ-Intervall, bestimmt. Dieses wird vom Beginn der P-Welle bis zum Beginn des Kammerkomplexes gemessen und beträgt im physiologischen Zustand 120 – 200 Millisekunden. Als Millimeterpapier-Experten habt ihr sofort bemerkt, dass dies bei einer Schreibgeschwindigkeit von 25mm/Sekunde einer Strecke von 3 – 5 Millimetern entspricht. Weiterhin sollte die PQ-Zeit innerhalb eines Rhythmusstreifen konstant sein, sich also nicht verändern.

Wie ihr seht, steckt in diesem letzten Schritt der Rhythmusanalyse nochmal einiges an Inhalt. Für das Beispiel des abgebildeten Rhythmusstreifen würde man die Befunde folgendermaßen zusammenfassen:

 

AV-Leitung 1:1 mit PQ-Zeit im Normbereich und konstant.


Das ist sie also - die strukturierte Rhythmusanalyse in fünf Schritten. Der Ablauf ist absichtlich relativ einfach gehalten – kompliziert wird es bei einigen Rhythmen ganz von alleine... Macht euch vor allen Dingen den generellen Aufbau mit Fokussierung auf die bedrohlichen Rhythmusstörungen klar.