In der Abbildung siehst Du nun das 12-Kanal-EKG zum Rhythmusstreifen - wir konzentrieren uns jedoch auf die Rhythmusanalyse:
1. Geordnete QRS-Aktivität (orange markiert) vorhanden.
2. QRS-Frequenz bradykard zwischen 40 und 50 pro Minute.
3. QRS-Komplexe überwiegend schmal, 2x verbreitert (VES - rot markiert).
4. QRS zu Beginn regelmäßig, unregelmäßig nur im Bereich der VES.
5. Monomorphe und regelmäßige P-Wellen (dunkelblau markiert), Frequenz 100 - 120 pro Minute. Die sonst regelmäßigen P-Wellen werden im ersten Drittel einmal von einer a.e. SVES (hellblau markiert) unterbrochen - ansonsten lassen sich die P-Wellen aber über den gesamten Ausschnitt verfolgen.
6. Es folgt nicht auf jede P-Welle ein Kammerkomplex, den QRS-Komplexen gehen nicht durchgehend zuzuordnende P-Wellen voraus. Es besteht somit keine Kopplung von Vorhof- und Kammeraktion.
Diagnose: Tachykarder Sinusrhythmus mit einzelnen SVES, AV-Block III°, bradykarder AV-junktionaler Ersatzrhythmus, vereinzelt monomorphe VES.
Und der Vollständigkeit halber noch die 12-Kanal-Analyse:
B: Kein Schenkelblock.
L: Steiltyp.
i: Keine signifikanten ST-Hebungen. ST-Senkungen vom horizontalen Typ in II, III, V4 - V6.
Q: Unauffällig.
Die Identifikation von P-Wellen ist der vielleicht wichtigste Untersuchungsschritt der Rhythmusanalyse. Aufgrund ihrer geringen Amplitude sind die Vorhofaktionen deutlich unauffälliger als die übrigen EKG-Abschnitte. Wenn es dann noch zur Überlagerung mit Kammerkomplexen und T- oder U-Wellen kommt, kann die Sache richtig kompliziert werden. Hier gilt: Eine klare Systematik in der Vorgehensweise, ein gewisses physiologisches Grundverständnis und das nötige Handwerkszeug.
P-Wellen (Schritt 5 der Analyse) müssen aktiv gesucht wird. Hat man 2 benachbarte (und nach Möglichkeit ohne Überlagerungen eindeutig identifizierbare) P gefunden, wird dieses PP-Intervall entweder mit einem EKG-Zirkel oder mit Papier und Stift über den gesamten Ausschnitt abgetragen. So werden dann auch überlagerte P-Wellen in Kammerkomplexen und T-Wellen enttarnt.
Anschließend stellt sich die Frage nach der atrioventrikulären Kopplung und aus der Erfahrung zahlreicher EKG-Kurse wissen wir, dass dieser Schritt zuweilen einige Schwierigkeiten bereitet. Im aktuellen Beispiel wurde eine regelmäßige ventrikuläre Frequenz von 40 bis 50 pro Minute und eine ebenfalls regelmäßige atriale Frequenz von etwa 110 pro Minute ausgemacht. Dazu sind die Abstände zwischen P-Wellen und anschließenden QRS-Komplexen vollkommen unregelmäßig und ohne jedes Muster. Selbstverständlich sind alle Konstellationen irgendwie denkbar und aus einem Oberflächen-EKG nicht sicher auszuschließen – trotzdem sollte man sich nicht zu sehr in theoretische Konstrukte verstricken und stattdessen die wahrscheinlichste Erklärung annehmen. Und diese lautet, dass Vorhof- und Kammererregung hier einfach nicht miteinander verbunden sind. Es besteht also eine vollkommene Unterbrechung der Erregungsleitung zwischen Vorhof- und Kammermyokard. Hierbei wird die Fortleitung aller atrialen Impulse blockiert, so dass ein Schrittmacherzentrum innerhalb der Ventrikel die Kammeraktivierung übernimmt. Daraus resultiert zum einen die niedrige Frequenz sowie, wenn der Ursprung der Erregungen oberhalb der His-Bündel-Aufzweigung gelegen ist, schmale Kammerkomplexe. Also zum Merken: Der Ersatzrhythmus beim drittgradigen AV-Block muss nicht zwangsläufig breite QRS-Komplexe erzeugen!
Typischerweise sind die Ersatzrhythmen, unabhängig vom Ort ihrer Entstehung, rhythmisch. Entsprechend erwartet man beim AV-Block dritten Grades eine regelmäßige Kammeraktivität.
Wenn es beim drittgradigen AV-Block nicht zur Ausbildung eines Ersatzschrittmachers kommt oder dieser im Verlauf ausfällt entsteht (Sinusrhythmus vorausgesetzt) das Bild einer P-Wellen-Asystolie. Interessanterweise gibt es hier übrigens aktuell abweichende Leitlinien-Empfehlungen zwischen American Heart Association und European Resuscitation Council. Während die A-H-A jegliche Form des Pacings im Kreislaufstillstand ablehnt, ist ein Pacing-Versuch bei P-Wellen-Asystolie in den Leitlinien des E-R-C als Therapieoption empfohlen. Außerhalb von Arrest-Situationen gilt in jedem Fall nach den Leitlinien der European Society of Cardiology: Ein dokumentierter drittgradiger AV-Block ist, unabhängig von der klinischen Symptomatik, eine Schrittmacherindikation.
Ging dir das zu schnell? Das Wichtigste bei der Analyse ist eine strukturierte Vorgehensweise. Vielleicht helfen dir unsere Schemata "6Richtige" und "BLiQ" dabei. Und übrigens: Natürlich bearbeiten wir Fälle und EKG wie diese ausführlich in unseren Kursen - für Sicherheit, Struktur und Verständnis bei der EKG-Diagnostik 😊.