Den Faden verloren?



 

6Richtige:

1. Eine geordnete elektrische Aktivität ist vorhanden.

2. Die Frequenz liegt um 75 pro Minute im normfrequenten Bereich.

3. Die QRS-Komplexe sind schmal.

4. Die QRS-Komplexe sind unregelmäßig

5. Eine regelmäßige Vorhofaktivität ist vorhanden! Dieser vielleicht schwierigste Teil der Analyse erfordert ein gutes Auge und ein wenig Akribie. Hierzu der Tipp: Wenn fraglich wiederkehrende Vorhoferregungen sichtbar sind, sollte dieses Intervall (mit einem Zirkel oder mit Papier und Stift) über den weiteren Rhythmusstreifen fortgesetzt werden. Eine regelmäßige Vorhofaktivität lässt sich auf diese Weise möglicherweise enttarnen. Schau Dir hierfür im aktuellen Beispiel die blauen Linien an. Die Frequenz der Vorhoferregung liegt knapp unter 300 pro Minute und ist damit typisch für Vorhofflattern.

6. Bei regelmäßiger Vorhofaktivität (hier Vorhofflattern) und unregelmäßiger Kammeraktion muss die Unregelmäßigkeit im Bereich der AV-Überleitung entstehen. Dieses Phänomen lässt sich mit dem Prinzip des Multilevel-AV-Block gut begründen (weiterführende Informationen hierzu am Seitenende als Dateidownload).

 

BLiQ

B: Es liegt kein Blockbild vor.

L: Indifferenztyp.

i: Es sind keine signifikanten Ischämiezeichen erkennbar.

Q: Aufgrund von Überlagerungen mit den Vorhofaktionen sind die T-Wellen nicht eindeutig abgrenzbar. Nach dem Prinzip der 1/2-RR-Methode wirkt das QT-Intervall jedoch nicht relevant verlängert.

 

Diagnose: Vorhofflattern mit unregelmäßiger Überleitung.

 

Hieraus ergeben sich folgende Konsequenzen:

Aufgrund des Alters sowie bei bekannter arterieller Hypertonie beträgt der CHA2DS2-VASc-Score mindestens 2 Punkte. Eine therapeutische Antikoagulation ist damit indiziert. 

 

Da es sich um eine Erstdiagnose der Rhythmusstörung handelt, ist unklar, wie lange diese schon besteht. Generell konnte bislang kein Überlebensvorteil einer Rhythmus-kontrollierenden gegenüber einer Frequenz-kontrollierenden Therapie belegt werden. Es ist jedoch unstrittig, dass das Fortbestehen von Vorhofflimmern oder Vorhofflattern zum elektrischen Remodelling mit dann dauerhafter Persistenz der Rhythmusstörung/en führt. Bei dem hier noch relativ jungen Patienten sollte also eine Rhythmuskonversion geplant werden - unter Berücksichtigung des Patientenwunsches wäre hier eine elektrische Kardioversion medikamentösen Konversionsversuchen vorzuziehen. Da die Rhythmusstörung möglicherweise länger als 48 Stunden besteht, muss vor jedem Konversionsversuch ein TEE zum Ausschluss atrialer Thromben durchgeführt werden.

 

Aufgrund dieser neuen Situation stellt die geplante (nicht dringliche) Operation zum jetzigen Zeitpunkt ein unnötiges Risiko dar. Der Eingriff sollte also verschoben, der Patient optimalerweise umgehend kardiologisch übernommen werden.

 

Die Herzrhythmusstörungen Vorhofflimmern und Vorhofflattern sind häufig. Aufgrund der möglichen Komplikationen (hier vor allem kardioembolische Ereignisse) ist eine frühzeitige Erkennung essenziell. Und genau deshalb sollte jeder über entsprechende Grundkenntnisse in der EKG-Diagnostik verfügen - auch in den operativen Fächern.

Download
Discriminating atrial flutter from atrial fibrillation using a multilevel model of atrioventricular conduction
Weiterführende Informationen zum Phänomen der Multilevel-AV-Blockierungen.
Scholz, Kehrle, Vossel - 2014 - Discrimi
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